4 – Sexualität als Identität: schwule und lesbische Sprache

Im vorigen Kapitel haben wir die Beziehung zwischen Geschlecht und Sexualität untersucht, wie sie sich im Sprachgebrauch heterosexueller Männer und Frauen darstellt. Wir haben unsere Diskussion in den Kontext der von Feministinnen und Queer-Theoretikern vorgebrachten Argumente gestellt, wonach die obligatorische Heterosexualität/Heteronormativität ein Strukturprinzip ist, das die Sexualität im Allgemeinen organisiert. Wenn man dieses Argument akzeptiert, ist es sinnvoll, dass sich Sexualforscher für das Verhalten von Heterosexuellen als Heterosexuelle interessieren – also nicht nur als generische Vertreter ihrer Geschlechtskategorien. Dennoch ist es relativ ungewöhnlich, dass sich Sprachforscher explizit mit Fragen zu Sprache und Heterosexualität befassen. Viel häufiger konzentriert sich das Interesse auf die sprachlichen Erscheinungsformen von Homosexualität. Seit fast einem Jahrhundert diskutieren Sozialwissenschaftler, darunter Soziologen, Psychologen und Linguisten, darüber, ob Homosexuelle die Sprache in einer Weise verwenden, die sie von Heterosexuellen unterscheidet. Diese anhaltende Debatte ist das Thema dieses Kapitels, und bei der Erörterung dieser Debatte werden wir uns insbesondere mit zwei Fragen befassen.

Eine davon, die die im letzten Kapitel begonnene Diskussion fortsetzt, ist die Frage des Geschlechts. Die Debatten über die Frage, ob Homosexuelle eine eigene Sprache haben, hängen in zweierlei Hinsicht mit dem Geschlecht zusammen. Erstens beziehen sich die Argumente in der Regel (offen oder verdeckt) weit mehr auf schwule Männer als auf Lesben. Sowohl in der Wissenschaft als auch in der Populärkultur sind Vorstellungen darüber, wie schwule Männer klingen oder sprechen, viel stärker ausgeprägt und verbreitet als Vorstellungen darüber, wie Lesben klingen oder sprechen.