Ein Skandal aus Frostschutzmittel und Wein
März 20, 2018
Wer in dieser Stadt lebt, der weiß, dass die Wienerinnen und Wiener zu fast jeder Tageszeit ein „Achterl“ Wein lieben. Tatsächlich konsumieren die Österreicherinnen und Österreicher rund 250 Millionen Liter Wein pro Jahr, wobei Wien den Löwenanteil davon ausmacht. Österreichische Weine werden auch für den Export verkauft und bringen jährlich etwa 148 Millionen Euro ein, obwohl etwa 75 % der heimischen Produktion von Österreichern konsumiert werden – wenn die Österreicher einmal satt sind, bleibt nicht mehr viel für den Export übrig! Der Ruf der österreichischen Weine hat in den 1980er Jahren durch den so genannten Weinskandal einen schweren Schlag erlitten.
Der Skandal kam 1985 ans Licht, als entdeckt wurde, dass mehrere österreichische Weinkellereien ihren Weinen Diethylenglykol zugesetzt hatten, um sie süßer und gehaltvoller zu machen. Der Weinskandal wird manchmal auch als Frostschutzmittelskandal bezeichnet, weil Diethylenglykol ein Hauptbestandteil einiger Frostschutzmittel ist. Es versteht sich von selbst, dass es nicht für den menschlichen Verzehr geeignet ist, und der Zusatz von Diethylenglykol zu Wein ist höchst illegal. Trotzdem gewann ein mit Glykol versetzter österreichischer Wein 1984 auf einer internationalen Weinmesse eine Goldmedaille, und andere Winzer fragten sich offen, wie es einigen österreichischen Weinen gelingen konnte, so vollmundig zu sein.
Obwohl keine Todesfälle oder ernsthafte Erkrankungen als Folge des verunreinigten Weins gemeldet wurden, begann der Betrug aufzufliegen, nachdem ein anonymer Hinweis bei den Behörden im zweiten Wiener Bezirk eingegangen war. Bis dahin hatte niemand auf Diethylenglykol im Wein getestet. Der Verdacht erhärtete sich, als die Behörde bemerkte, dass ein Winzer versuchte, eine verdächtig große Menge Frostschutzmittel von der Steuer abzusetzen, obwohl er nur einen kleinen Traktor besaß. Dies löste eine Untersuchung aus, in deren Verlauf mehrere Winzer verhaftet wurden und Millionen von Weinflaschen vernichtet werden mussten – was ein ganz neues Problem aufwirft. Wie kann man 36 Millionen Weinflaschen auf umweltverträgliche Weise entsorgen? Nach einigen Experimenten fand ein Kärntner Elektrizitätswerk eine Möglichkeit, durch die Verbrennung des verseuchten Weins Energie zu gewinnen, und so wurden Millionen Liter Wein vernichtet. Der Skandal wirkte sich langfristig auf die österreichische Weinwirtschaft aus: Erst 2001 erreichten die Exporte wieder das Niveau von vor 1985. Er führte auch dazu, dass Österreich einige der strengsten Weinvorschriften der Welt und die strengste Aufsicht in ganz Europa erließ – einschließlich der Einführung des erkennbaren roten & weißen Qualitätsstempels auf der Oberseite jeder Flasche, die verkauft werden soll. So…zum Wohl! (C.G.)
- Posted in:
- Klicken Sie hier, um mehr über Lebensmittel zu erfahrenLebensmittel
- Tags:
- Klicken Sie hier, um mehr über 10201020
zu erfahren